Ein Schlechtwetterklassiker hat uns während der letzten Tage
ordentlich bewässern. Sein nüchtern-akademischer Name: "Vb".
Vor einigen Jahrzehnten wurden die Zugstraßen
der Tiefs durchnummeriert. Davon ist man heute wieder abgekommen. Nur
eine besonders widrige Bewegungsbahn hat sich als Nummer eingebürgert
und ist zum Wahrzeichen von viel Regen über Mitteleuropa, Norditalien
und Südostfrankreich geworden: Die Vb-Wetterlage (sprich: "fünf b").
Diese Zugstraße führt die
Schlechtwettergebiete von Norditalien kommend über Deutschland nach
Nordosten. Das passiert immer dann, wenn ein Trogvorstoß über Nord-
und Westeuropa in Gang kommt, der bis ins Mittelmeer reicht. An seiner
Westseite wird auf direktem Weg Kaltluft nach Süden geführt, an der
Ostseite warme, mitunter tropische Luft weit nach Norden gelenkt.
Dazwischen entsteht eine markante Luftmassengrenze mit einer stark
geneigte Hebungszone, die oft lange stationär ist und die unter ihr
liegenden Gebiete mit Dauerregen versorgt. Zwischen den Randbereichen
dieser Frontalzone liegen Temperaturunterschiede von manchmal mehr als
20 K auf einer Entfernung von einigen hundert Kilometern. Besonders
heftig sind die Niederschläge oft im Herbst, wenn sich die kühle
Luft auf dem Weg über das warme Mittelmeer ordentlich mit
Feuchtigkeit vollsaugt. Dann ergießen sich im Luv der Alpen, die wie
eine Barriere wirken, wahre Sintfluten.
Heftige Regenfälle
Eine solche Wetterlage hat uns auch in den
letzten Tagen heimgesucht. Zwar ist es Frühling und wir liegen auch
nördlich der Alpen, doch sind an gut zwei Tagen in Göttingen 31,3 mm
Regen gefallen, das ist mehr als die Hälfte des Monatssolls. Sehr
gut ist auf der Temperaturanalyse (im 850 hPa-Niveau) vom 4. Mai
diese Luftmassengrenze quer über Deutschland zu erkennen. In etwa
1.500 Metern Höhe reicht dabei die Temperatur zwischen Niederrhein und
Oder über eine Spanne von etwa 20 K. Die subtropische Luft setzte sich
von der Balkanhalbinsel her bis nach Ungarn, der
Slowakei, Polen und zum Baltikum durch. So wurde in Ungarn und der
Slowakei verbreitet 30°C gemessen, in Göttingens Partnerstadt Torun bis zu 29°C, und
auch in Königsberg und Liepaja wurde an der Ostsee noch 27°C
erreicht. Heute Mittag lagen die Temperaturwerte verbreitet noch etwas
höher, in Torun wurde 30°C erreicht. Das dazugehörige Regengebiet
lag nahezu ortsfest über uns und beregnete auch unsere Gegend nahezu 30 Stunden ununterbrochen, wie man auf dem Radarbild von
Freitag Abend (03. Mai) sehr schön erkennen kann. Dabei kam Göttingen mit seinen 31,3 mm noch ganz gut davon. Im Tessin begann es am 1. Mai zu regnen, und bis heute morgen
hielt der Niederschlag nahezu ohne Pause an. Dabei kam in Locarno-Magadino (197 m hoch gelegen) innerhalb dieser drei Tage eine Summe von 375 l/m² zusammen, im benachbarten Locarno-Monti (366 m) sogar 497 l/m²! Bis heute Mittag gab es nochmals 26 bzw. 28 mm
innerhalb von 6 Stunden. Auch in Deutschland gab es beachtliche Mengen: So hat es seit dem 1. Mai am Oberrhein in Lahr 76 l/m² gegeben und in Freiburg 82 l/m². In der Nacht von
Freitag auf Samstag (3. auf 4. Mai) brachte ein neues Niederschlagsfeld im Gebiet
zwischen Osthessen und dem Harz Regenmengen über 15 l/m², in Göttingen knapp 20 l/m², die größte Summe wurde mit 38 l/m² aus Artern (20 km östlich von Sondershausen) gemeldet.