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4. Mai 2002: Schlechtwetterklassiker Vb

Was bedeutet Vb?

Ein Schlechtwetterklassiker hat uns während der letzten Tage ordentlich bewässern. Sein nüchtern-akademischer Name: "Vb".
Vor einigen Jahrzehnten wurden die Zugstraßen der Tiefs durchnummeriert. Davon ist man heute wieder abgekommen. Nur eine besonders widrige Bewegungsbahn hat sich als Nummer eingebürgert und ist zum Wahrzeichen von viel Regen
Wetterkarte vom 5. Mai 2002
Bernhard Mühr / Wetterzentrale
über Mitteleuropa, Norditalien und Südostfrankreich geworden: Die Vb-Wetterlage (sprich: "fünf b"). Diese Zugstraße führt die Schlechtwettergebiete von Norditalien kommend über Deutschland nach Nordosten. Das passiert immer dann, wenn ein Trogvorstoß über Nord- und Westeuropa in Gang kommt, der bis ins Mittelmeer reicht. An seiner Westseite wird auf direktem Weg Kaltluft nach Süden geführt, an der Ostseite warme, mitunter tropische Luft weit nach Norden gelenkt. Dazwischen entsteht eine markante Luftmassengrenze mit einer stark geneigte Hebungszone, die oft lange stationär ist und die unter ihr liegenden Gebiete mit Dauerregen versorgt. Zwischen den Randbereichen dieser Frontalzone liegen Temperaturunterschiede von manchmal mehr als 20 K auf einer Entfernung von einigen hundert Kilometern. Besonders heftig sind die Niederschläge oft im Herbst, wenn sich die kühle Luft auf dem Weg über das warme Mittelmeer ordentlich mit Feuchtigkeit vollsaugt. Dann ergießen sich im Luv der Alpen, die wie eine Barriere wirken, wahre Sintfluten.

Heftige Regenfälle

Eine solche Wetterlage hat uns auch in den letzten Tagen heimgesucht. Zwar ist es Frühling und wir liegen auch nördlich der Alpen, doch sind an gut zwei Tagen in Göttingen 31,3 mm Regen gefallen, das ist mehr als die Hälfte des Monatssolls.
Sehr gut ist auf der Temperaturanalyse (im 850 hPa-Niveau) vom 4. Mai diese Luftmassengrenze quer über Deutschland zu erkennen. In etwa 1.500 Metern Höhe reicht dabei die Temperatur zwischen Niederrhein und Oder über eine Spanne von etwa 20 K. Die subtropische Luft setzte sich von der Balkanhalbinsel her bis nach Ungarn, der Slowakei, Polen und zum Baltikum durch. So wurde in Ungarn und der Slowakei verbreitet 30°C gemessen, in Göttingens Partnerstadt Torun bis zu 29°C, und auch in Königsberg und Liepaja wurde an der Ostsee noch 27°C erreicht. Heute Mittag lagen die Temperaturwerte verbreitet noch etwas höher, in Torun wurde 30°C erreicht.
Das dazugehörige Regengebiet lag nahezu ortsfest über uns und beregnete auch unsere Gegend nahezu 30 Stunden ununterbrochen, wie man auf dem Radarbild von Freitag Abend (03. Mai) sehr schön erkennen kann. Dabei kam Göttingen mit seinen 31,3 mm noch ganz gut davon. Im Tessin begann es am 1. Mai zu regnen, und bis heute morgen hielt der Niederschlag nahezu ohne Pause an. Dabei kam in Locarno-Magadino (197 m hoch gelegen) innerhalb dieser drei Tage eine Summe von 375 l/m² zusammen, im benachbarten Locarno-Monti (366 m) sogar 497 l/m²! Bis heute Mittag gab es nochmals 26 bzw. 28 mm innerhalb von 6 Stunden. Auch in Deutschland gab es beachtliche Mengen: So hat es seit dem 1. Mai am Oberrhein in Lahr 76 l/m² gegeben und in Freiburg 82 l/m². In der Nacht von Freitag auf Samstag (3. auf 4. Mai) brachte ein neues Niederschlagsfeld im Gebiet zwischen Osthessen und dem Harz Regenmengen über 15 l/m², in Göttingen knapp 20 l/m², die größte Summe wurde mit 38 l/m² aus Artern (20 km östlich von Sondershausen) gemeldet.